Der Bayerische Sportärzteverband ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP).
Die DGSP ist die medizinische Fachgesellschaft für Gesundheit bei und durch körperliche Aktivität, Bewegung und Sport.
Sie vertritt Ziele in Praxis, Lehre, Forschung und Gesundheits- und Verbandspolitik.
https://www.dgsp.de/seite/277055/organigramm,-leitbild.html
Zudem orientiert sich der Bayerische Sportärzteverband am Ethikkodex der International Federation of Sports Medicine (FIMS, http://www.fims.org/about/code-ethics/).
Vorwort zur sportmedizinischen Ethik
Köln, den 10.10.2018
1958 definierten wir international erstmalig den Begriff „Sportmedizin“:
„Sportmedizin beinhaltet in Theorie und Praxis diejenige Medizin, welche den Einfluss von Bewegung, Training und Sport sowie den von Bewegungsmangel auf den gesunden und kranken Menschen jeder Altersstufe untersucht, um die Befunde der Prävention , Therapie und Rehabilitation sowie dem Sportler dienlich zu machen.“
Die in dieser Definition enthaltenen Schwerpunkte sind glänzend mit dem Ethikkodex der FIMS berücksichtigt. Man beschränkt sich nicht auf die Aufführung von Fakten, sondern bespricht sie in komprimierter Form mit dem Ziel internationaler Gültigkeit. Diese Absicht ist ausgezeichnet gelungen. Was hier im ethischen Bereich der Sportmedizin verankert wurde, kann im Prinzip auf die gesamte Medizin übertragen werden. Man kann den Autoren dieses Ethikkodex nur gratulieren.
Univ. - Prof. mult. Dr. med. Dr. h.c. mult. WILDOR HOLLMANN
Ehrenpäsident des Weltverbandes für Sportmedizin (FIMS)
und der
Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention
1. Medizinethik im Allgemeinen
Alle medizinethischen Prinzipien sollen auch in der Sportmedizin angewandt werden. Die Hauptpflichten des Arztes beinhalten:
Die Gesundheit des Sportlers soll immer an erster Stelle stehen.
Du sollst niemals Schaden zufügen.
Missbrauche nie deine ärztliche Autorität, um die Autonomie des Sportlers einzuschränken, seine eigene Entscheidungen zu fällen.
2. Medizinethik in der Sportmedizin
Sportärzte, die Sportler jeden Alters behandeln, haben eine ethische Verpflichtung, die spezifischen körperlichen, mentalen und emotionalen Anforderungen zu verstehen, die körperliche Betätigung, Sport treiben und Training mit sich bringen.
Die Beziehungen zwischen Sportärzten und Athleten ist abzugrenzen von der Beziehung zu ihren Arbeitgebern, offiziellen Sportorganisationen und ihren Berufskollegen(2). In der Sportmedizin vereinen sich allgemeine gesundheitliche Aspekte mit denen des Freizeit- und Profisports.
Die Verletzung eines Athleten hat unmittelbare Auswirkungen auf die Teilnahme an sportlicher Aktivität mit möglichen finanziellen und psychologischen Folgen. Der offensichtlichste Unterschied zwischen der Sportmedizin und anderen Arten der Medizin ist, dass die behandelten Sportler in der Regel gesund sind.* (siehe Anmerkung)
Ethik in der Sportmedizin sollte auch klar von Gesetzen, die den Sport betreffen, unterschieden werden. Denn Ethik bezieht sich auf Moral, wohingegen das Recht auf einem gesetzlich durchsetzbaren sozialen Regelwerk gründet (2). Obwohl es wünschenswert ist, dass das Gesetz auf ethischen Grundsätzen basiert und dass ethisch wichtigen Angelegenheiten gesetzlicher Rückhalt geboten wird, ist nicht alles, was illegal ist, unmoralisch, und gleichermaßen nicht alles, was unmoralisch ist, illegal. Deshalb beschäftigt sich die Ethik in der Sportmedizin nicht mit Etikette oder Gesetz, sondern mit grundlegenden Fragen der Moral.
3. Spezifische ethische Aspekte der Sportmedizin
Der Sportarzt ist in erster Linie dem Sportler verpflichtet. Alle anderen Verpflichtungen oder Verträge sind dem unterzuordnen. Eine medizinische Entscheidung muss ehrlich und gewissenhaft gefällt werden.
Ein grundlegendes medizinethisches Prinzip ist der Respekt vor der Patientenautonomie. Eine zentrale Komponente der Autonomie ist Wissen. Ohne informierte Einwilligung des Sportlers liegt eine Missachtung der Athletenautonomie vor. Versäumt der Sportarzt, dem Sportler die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, verletzt dies ebenso das Recht des Sportlers, seine eigenen Entscheidungen zu fällen. Ehrlichkeit ist in der Medizinethik wichtig. Das vorrangige ethische Anliegen ist es, dem Patienten nach besten Fähigkeiten alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um ihm zu ermöglichen, selbstständig zu entscheiden und zu handeln.
Der höchste Respekt ist immer dem menschlichen Leben und Wohlbefinden geschuldet. Profit alleine darf nie ein Motiv in der Sportmedizin sein (3).
4. Die Beziehung zwischen Sportler und Arzt
Der Sportarzt soll nicht erlauben, dass Religion, Nationalität, Rasse, politische Gesinnung oder sozialer Status Einfluss auf seine Verpflichtung dem Athleten gegenüber nehmen.
Die Basis der Beziehung zwischen Sportarzt und Athlet sollte absolutes Vertrauen und gegenseitiger Respekt sein. Der Sportler kann vom Sportarzt erwarten, jederzeit mit professioneller Fertigkeit behandelt zu werden. Ratschläge und Behandlungen sollen immer im bestmöglichen Interesse des Sportlers erteilt und vollzogen werden.
Das Recht des Sportlers auf seine Privatsphäre ist zu schützen.
Vorgaben zum Umgang mit Krankenakten im Gesundheitswesen und in der Medizin sollen auch auf dem Gebiet der Sportmedizin Anwendung finden. Der Sportarzt soll eine komplette und genaue Akte über den Patienten führen.
In Anbetracht des starken öffentlichen und medialen Interesses an der Gesundheit der Athleten, sollte der Arzt zusammen mit dem Sportler entscheiden, welche Informationen veröffentlicht werden dürfen (1).
Wenn der Sportarzt ein Team betreut, übernimmt er nicht nur Verantwortung für die Sportler, sondern auch gegenüber den Trainern und Managern des Teams. Es ist wesentlich, die Sportler hierüber zu informieren und ihr Einverständnis einzuholen, Informationen, die ansonsten geschützt wären, mit den verantwortlichen Personen zu teilen, jedoch nur mit der Zielsetzung, die Tauglichkeit des Sportlers zur Teilnahme zu bestimmen (4).
Der Sportarzt wird den Athleten auf verständliche Art und Weise über die Behandlung, den Gebrauch von Medikamenten und mögliche Konsequenzen aufklären und sein Einverständnis einholen.
Der Teamarzt wird jedem einzelnen Sportler erklären, dass es ihm freisteht, einen anderen Arzt zu konsultieren.
5. Training und Wettbewerbe
Sportärzte sollten Training, Praktiken und Wettbewerbsregeln widersprechen, falls sie die Gesundheit des Athleten gefährden. Im Allgemeinen müssen Sportärzte sich über die spezifischen und mentalen Anforderungen informieren, die an Athleten gestellt werden, wenn diese an Sportaktivitäten teilnehmen. Relevante Aspekte in dieser Hinsicht beinhalten Expertenwissen, Effektivität, Effizienz und Sicherheit (5).
Sind die Sportler Kinder oder Heranwachsende, muss der Sportarzt die speziellen Risiken, die der spezifische Sport bei einem Individuum, das sich körperlich und geistig noch entwickelt, mit sich bringt, in Betracht ziehen. Befindet sich der Sportler noch im Wachstum, muss der Sportarzt sicherstellen, dass Training und Wettbewerb für ein Individuum dieser Größe und Entwicklungsstufe angemessen sind (4). Der Arzt sollte sich an der Verbreitung von Informationen und Besonderheiten des Jugendsports in Training und Wettbewerb beteiligen. Es ist entscheidend, dass diese Informationen auch die jungen Sportler, Eltern, Erziehungsberechtigten und Trainer erreichen (1).
6. Bildung
Sportärzte sollen an Fortbildungen teilnehmen, um ihr Wissen und ihre Fertigkeiten zu verbessern und zu pflegen, sodass sie ihre Athleten optimal beraten und betreuen können (6). Das Wissen sollte mit Fachkollegen geteilt werden.
7. Gesundheitsförderung
Sportärzte sind verpflichtet, Menschen jeden Alters über die gesundheitlichen Vorteile von körperlicher Aktivität und Sport zu unterrichten.
8. Verletzungen bei Sportlern
Es liegt in der Verantwortung des Sportarztes, festzulegen, ob der verletzte Sportler am Training oder an Wettbewerben teilnehmen kann. Weder das Ergebnis des Wettbewerbs, noch die Trainer, sondern lediglich die möglichen Risiken und Konsequenzen für die Gesundheit des Sportlers sollten diese Entscheidung beeinflussen.
Ist der Sportarzt der Meinung, dass ein bestimmter Sport große Risiken mit sich bringt, so soll er versuchen, diese zu beseitigen, indem er Sportler und andere Verantwortliche nachdrücklich auf die Gefahren hinweist. Die Vermeidung von Verletzungen hat die höchste Priorität.
9. Bewegungstherapie
Ein detailliertes Rezept zur Bewegungstherapie sollte – sofern seine Vorteile wissenschaftlich gestützt sind – Bestandteil jedes Therapieplans von Sportlern sein, die sich von einer Verletzung oder Krankheit erholen.
10. Beziehung zu anderen Fachpersonen
Der Sportarzt sollte mit Fachpersonen anderer Disziplinen zusammenarbeiten wie Physiotherapeuten, Podologen, Psychologen, Biomechanikern, Physiologen und anderen. Der Sportarzt ist letztlich verantwortlich für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Athleten und muss hierzu die verschiedenen Fachgruppen in Prävention, Kuration und Rehabilitation von Verletzung und Krankheit miteinander koordinieren. Das Konzept der interdisziplinären Zusammenarbeit ist grundlegend für eine erfolgreiche Sportmedizin.
Ein Sportarzt sollte die öffentliche Kritik an anderen Sportärzten unterlassen, die in die Behandlung des Athleten eingebunden sind.
Ein Sportarzt sollte sich Kollegen und Mitarbeitern gegenüber so verhalten, wie er von ihnen behandelt werden möchte.
Erkennt der Sportarzt, dass die Probleme des Athleten seine Fähigkeiten überschreiten, sollte er dafür Sorge tragen, den Sportler auf andere Personen hinzuweisen, die über die notwendige Expertise verfügen und den Athleten an diese geeigneten Personen zur Mitbehandlung weiterleiten.
11. Beziehung zu Funktionären, Vereinen, etc.
An einer Sportstätte liegt es in der Verantwortung des Sportarztes, zu entscheiden, wann ein verletzter Sportler an einem Spiel oder einer Veranstaltung teilnehmen bzw. weiter teilnehmen kann. Der Arzt sollte diese Entscheidung nicht an andere Personen delegieren. Die Gesundheit und Sicherheit des Sportlers muss immer Priorität besitzen. Das mögliche Resultat des Wettbewerbes darf diese Entscheidung nie beeinflussen.
Um dem Sportarzt die Umsetzung dieser Verpflichtung zu ermöglichen, muss er auf seiner professionellen Autonomie und seiner Verantwortung für alle medizinischen Entscheidungen bezüglich der Gesundheit, Sicherheit und des berechtigten Interesses des Sportlers bestehen. Kein Dritter soll diese Entscheidungen beeinflussen (3).
Ohne das Einverständnis des Athleten dürfen keine Informationen an Dritte weitergegeben werden.
12. Doping (siehe FIMS Position Statement)
Der Sportarzt soll Methoden zur Verbesserung der Leistung des Sportlers gemäß IOC Verbotsliste ablehnen und in der Praxis unterlassen (4).
Ärzte haben sich bisher energisch widersetzt, Methoden anzuwenden, die nicht mit der Medizinethik im Einklang stehen oder wissenschaftlich belegt sind. Dementsprechend widerspricht es der Medizinethik, Doping in jeglicher Form gutzuheißen. Ebenso sollte der Arzt Schmerzen nicht in irgendeiner Weise maskieren, um dem Athleten die Rückkehr zum Sport zu ermöglichen, sofern irgendein Risiko besteht, die Verletzung zu verschlimmern. (1).
13. Forschung
Forschung sollte gemäß den anerkannten ethischen Prinzipien für Tier- und Menschenversuche durchgeführt werden. Forschung sollte nie so betrieben werden, dass sie Sportler schädigen oder ihre sportliche Leistung gefährden kann.
Quellen
Dieses Statement wurde verfasst von: Per A.F.H. Renström, MD, PhD (Chair); Walter R. Frontera, MD, PhD; Anthony J. Parker, PhD; and John B.M. Wesseling, MD.
Anmerkung: Dieses Statement darf reproduziert und verbreitet werden, sofern es deutlich als Statement der Fédération Internationale de Médecine Sportive gekennzeichnet wird.
Übersetzung
Dr. med. Michael Fritz / 2. Vorsitzender Sportärztebund Nordrhein
Judith Traill / Anglistik - Germanistik B. a.
Lektorat
Ulrike Fritz M. A.